Privatkoch Stephan Staats
Der Kulinariker schaut bewusst über den Tellerrand.
Stephan Staats ist der "Koch der Superreichen". Im Interview tritt der Glamour jedoch hinter seine Leidenschaft für das Kochen und sein Engagement für einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln zurück.
Klingt das nach einem Seebären? Den Medienberichten zufolge, die sein (Koch-)Buch Staats' Geheimnisse begleiten, ist Stephan Staats der "Koch der Superreichen". Geboren in Solingen in Nordrhein-Westfalen mit deutsch-französischen Wurzeln verbrachte er die letzten 15 Jahre auf Riesenyachten, wo er für preisgekrönte Stars, Promis und Oligarchen arbeitete, deren Namen er üblicherweise nicht preisgibt. "Das sind Namen, die Sie alle kennen oder Namen, die Sie nie hören werden." In unserem Gespräch mit dem 42-Jährigen, dessen Reisepass Stempel aus 91 verschiedenen Ländern trägt, tritt der Glamourfaktor jedoch hinter seine Leidenschaft für das Kochen und seine Verpflichtung gegenüber einem verantwortungsbewussten Umgang mit Lebensmitteln zurück.
Herr Staats, Sie sind monatelang auf hoher See unterwegs und kochen für Leute mit höchsten Ansprüchen. Wie planen Sie das?
Das kommt ganz auf die Küche und die Wünsche meiner Auftraggeber an. Jeder Raum bietet unterschiedliche Möglichkeiten und ich plane meine Gerichte oft erst, wenn ich die Ressourcen sehe, die mir zur Verfügung stehen. Die Grösse der Schiffe, auf denen ich gearbeitet habe, reicht von 35 bis 160 Meter. Auf einer kleinen Yacht zu kochen ist nicht ideal, das ist wie in einem Campingbus zu kochen. Und gross zu sein, ist dabei auch nicht von Vorteil.
Wie gross sind Sie?
Ich war früher 1,82 m, aber ich muss wohl geschrumpft sein (lacht). Kochen macht keinen Spass, wenn man nicht organisiert ist, und kann in der eigenen Küche zu Hause ebenso viel Stress bedeuten wie in einer Restaurantküche. Als Küchenchef muss man Zeit-, Raum- und Logistikmanager gleichzeitig und auch noch dazu in der Lage sein, jede Eventualität einzuplanen. Was man im Fernsehen sieht, ist meist ziemlicher Blödsinn. Wir Küchenchefs werden wie Rockstars gefeiert und junge Menschen glauben wirklich, dass sie nach einem Jahr Kochschule im Fernsehen auftreten können.
Wo wir gerade von Rockstars sprechen: Welche Küchenausstattung nutzen Sie? Ist ein Herd in einer Kombüse ebenso unverzichtbar wie anderswo?
Ich kann jederzeit ein Feuer machen, wenn es sein muss (lacht). Natürlich, einen Herd und einen Ofen braucht man, darum kommt man nicht herum. Aber ohne Gefrierfach wäre ich schon vor Jahren vom Schiff gesprungen. Und eine gute, robuste Küchenmaschine mit vielen Funktionen muss auch sein, aber keine aus Plastik. Ich habe gesehen, was Plastik den Weltmeeren angetan hat – das ist eine Katastrophe.
"Heutzutage sind mehr Köche im Fernsehen als gute Schauspieler."
Sie sind viel ausserhalb Ihres eigentlichen Arbeitsbereichs tätig und waren kürzlich an wastED beteiligt, dem Popup-Restaurant-Projekt in London, mit dem Dan Barber, Küchenchef und Mitinhaber des mit einem Michelin-Stern gekrönten Blue Hill in Manhattan, gegen die Verschwendung von Lebensmitteln kämpft.
Dan Barber ist für mich ein Visionär, der Steve Jobs der Küche. Er brachte Köche aus der ganzen Welt zusammen: aus Asien, Nord- und Südamerika, Nord- und Südeuropa, aus dem Pazifikraum und aus Afrika. Und dann haben wir sechs Wochen lang die kulinarische Welt auf den Kopf gestellt. Aber ich bin nicht nur Koch, ich bin ein Mensch, und dieser Job hat mich sowohl physisch als auch mental an meine Grenzen gebracht. Versuchen Sie einmal, unter beständigem Druck neben den besten Küchenchefs der Welt 100 Stunden in der Woche kreativ zu sein! Das ist kein normaler Job, das ist ein Lebensstil – das ist Rock 'n' Roll.
Was haben Sie serviert?
Wir haben aus Abfallprodukten sowie aus eigentlich untauglichen und ungewöhnlichen Zutaten echte Haute Cuisine gemacht. Dabei habe ich täglich etwas dazugelernt. Ein Beispiel, etwas, das jeder zu Hause selbst machen kann: Wir haben einen Broccolistiel blanchiert, geschält und mit einer mit Molke angesetzten Béchamelsauce serviert. Die Molke war in dem Fall das Abfallprodukt aus der Ricottaherstellung.
Das ist nicht Ihre einzige ehrenamtliche Tätigkeit …
Mein Job bei wastED war nicht ehrenamtlich, es war ein schlecht bezahlter, aber ein bezahlter Job!
Sie arbeiten auch auf der Phoenix, einem Schiff, das Migranten aus dem Mittelmeer rettet.
Tausende von Menschen sind in den Jahren, in denen ich an Bord Kaviar, Hummer und Champagner serviert habe, ertrunken. Ich selbst habe 500-Dollar-Zigarren geraucht und viele hundert Dollar teuren Wein getrunken. Ich musste nicht lange nachdenken, als ich von der MOAS-Initiative gehört habe und die Möglichkeit erhielt, mitzumachen. Normalerweise bin ich für die Verpflegung der Crew mit 24 Männern und Frauen zuständig. Ab und zu musste ich aber auch für bis zu 450 gerettete Männer, Frauen und Kinder kochen, die für fast vier Tage bei uns an Bord waren. In solchen Fällen gibt es meist nur eine Mischung aus ungewürztem Bulgur, Couscous und Reis. Die meisten Menschen, die wir retten, sind unsere Küche nicht gewohnt, sind seit Jahren ohne ordentliches Essen auf der Flucht oder stark unterernährt. Ihre Mägen würden keinerlei Gewürze vertragen. Im Allgemeinen erhalten sie von uns Tee, Wasser und trockene Kekse, bis wir einen sicheren Hafen erreichen.
Wie gehen Sie mit einer solchen Erfahrung um, nachdem Sie sich zuvor in einer Welt bewegt haben, in der Sie zum Einkaufen mit dem Helikopter an Land fliegen mussten, um manch exzentrische Laune zu erfüllen?
Ich habe Dinge aus vielen verschiedenen Perspektiven gesehen und erlebt. Was für mich zählt, ist die Balance. Ich weiss, worauf ich mich einlasse. Deshalb versuche ich, mich so gut wie möglich vorzubereiten, bevor ich von einem Extrem in das andere wechsle. Das ist die Würze in meinem Leben! Wissen Sie, früher war ich genauso cholerisch wie alle Küchenchefs. Man ist so konditioniert. Wir brüllen andere an, weil wir glauben, man erwarte von uns, dass wir andere anbrüllen. Heute bin ich entspannter. Was die exzentrischen Launen angeht: Gelangweilte Schiffscrews klopfen viel häufiger mit dem Wunsch nach einem anderen Salatdressing an meine Tür als Promis.
Buchtipp "Staats' Geheimnisse": Gerüchteküche
Für die Lieblingssojasauce mit dem Privatjet nach London düsen? Ein Frühstücksei für einen siebenjährigen Oligarchen zubereiten, das genau 4 Minuten und 23 Sekunden kochen muss? Wer als Starkoch auf Luxusjachten mitfährt, für den gehören exzentrische Wünsche zum Alltag. Dass der Solinger Stephan Staats jetzt ein Buch über die kulinarischen Gepflogenheiten der Superreichen geschrieben hat, heisst aber nicht, dass er zum Whistleblower der Szene geworden ist. Denn obwohl Staats spannende Anekdoten parat hat, bleiben Namen selbstredend tabu. Schliesslich gehört Verschwiegenheit zum Geschäft. Mit seinen Rezepten hält der Starkoch glücklicherweise nicht hinter dem Berg – und präsentiert leicht nachzubereitende Gerichte aus Ländern rund um das Mittelmeer.
Erschienen ist "Staats' Geheimnisse – Mediterrane Rezepte und Storys von den Jachten der Superreichen" im Becker Joest Volk Verlag für 34 Euro.
Autorin: Sarah Pust
Fotos: © Getty Images, © Judith Buethe, © Stephan Staats