Flower Power: Mehr als Dekoration
Ein Floristmeister gibt Expertentipps für die heimische Festtafel.
Geht es um aussergewöhnliche Dekoration, ist das Himmel und Erde Hamburgs erste Adresse. Floristmeister Mario Mahlstedt gibt Expertentipps für die heimische Festtafel.
Hier entstehen nicht einfach Sträusse, sondern Kunstwerke aus Blüten und Blättern. Wir haben mit Floristmeister Mario Mahlstedt (im Bild rechts) darüber gesprochen, wie man mit hochwertigem Pflanzenschmuck Atmosphäre schafft – und ein paar Expertentipps für die heimische Festtafel eingesammelt.
Herr Mahlstedt, Sie gelten als Instanz in puncto florale Meisterwerke. Was macht Sie aus?
Wir setzen die Dinge so um, wie andere es nicht tun. Nicht, um uns auf Krampf hervorzuheben, sondern weil es unserem Geschmack entspricht. Es geht uns um Ästhetik und Natürlichkeit, nicht um den Massengeschmack.
Was bringt Sie auf neue Ideen?
Unterwegs zu sein und subtile Eindrücke wie Farben, Formen oder Architektur aufzunehmen. Wenn ich durch eine fremde Stadt spaziere und eine Schaufensterdekoration entdecke, etwa einen schön geschnittenen Mantel vor einem spannenden Hintergrund, dann inspiriert mich das.
"Blumen erwecken Räume zum Leben."
Wie wichtig sind Blumen für die Atmosphäre eines Raumes?
Ich beobachte oft, wie beim Aufbau vor Events tagelang Strahler installiert, Fussböden verlegt, Tische eingedeckt werden – aber erst, wenn die Deko steht, sagen alle: "Wow, ist das schön geworden!" Blumen erwecken Räume zum Leben.
Setzen Sie nur um, was Sie mit Ihrem Stil vereinbaren können?
Natürlich weigern wir uns nicht, wenn Kunden konkrete Wünsche haben, aber wir versuchen, sie ein wenig zu lenken. Wenn jemand zum Hochzeitstag einen Strauss aus langstieligen roten Rosen mit einer symbolischen weissen in der Mitte haben möchte, tue ich mich damit sehr schwer. Dann empfehle ich eine verzweigte Rose, weil ich glaube, dass sich jede Frau mehr darüber freut. Bei uns gibt es auch keine Sonnenblumen, weil sie zwar auf dem Feld wunderbar aussehen, aber im kurz gebundenen Strauss ihre Wirkung verlieren.
Kann man guten Blumengeschmack lernen?
Was man mag, hängt von der Prägung ab – und davon, wo man lebt. Auf dem Land stellen sich die Leute nichts in die Vase, was im Garten wächst. Die Menschen in Grossstädten möchten das Natürliche mit nach Hause nehmen.
Sie gestalten häufig Event-Locations für internationale Marken. Sind die Blumenvorlieben kulturell verschieden?
Absolut. New York mal ausgenommen, ist die Floristik in den USA mit der vergleichbar, die bei uns in den 80ern verbreitet war: Es wird viel gelegt und in Kartons drapiert, auf Show gemacht. Auch Japan und China orientieren sich an diesem Stil. In Holland, Belgien und Deutschland schätzt man kunstvoll arrangierte Sträusse. Europa ist auch der Ort, auf den andere Länder schauen, wenn es um hochwertige Floristik geht.
"In den eigenen vier Wänden gilt: Weniger ist mehr."
Mit kreativem Blumenschmuck verwandeln Sie Räume in andere Welten. Kann man sich davon etwas für zu Hause abschauen?
In den eigenen vier Wänden gilt eher: Weniger ist mehr, es darf nicht verkleidet aussehen. Oft reicht es, etwas Kapuzinerkresse oder eine Fuchsienblüte auf den Teller zu legen oder den Tisch mit Rosmarinzweigen zu schmücken. Aber immer passend zum Gericht! Die pinkfarbene Orchidee aus dem Sushi-Restaurant harmoniert natürlich nicht mit einem Schmorbraten. Der Raum um den Tisch herum ist aber meiner Meinung nach wichtiger als die Tafel selbst. Übertreiben darf man dann, wenn man die Blume zum Thema macht, wie etwa bei einer Frühlingstafel voller Blüten.
Welche Deko passt denn zu welcher Gelegenheit?
Wenn man etwa beim romantischen Dinner eine starke Botschaft aussenden möchte, darf es schon mal opulenter sein, etwa jede Menge Kerzen auf einem dick ausgelegten Blütenbett. Oder man stellt hohe, schmale Vasen mit wilden Rosen um den Tisch herum, sodass praktisch unter den Blüten getafelt wird. Wenn Freundinnen vorbeikommen, würde ich es so gestalten, als hätte ich es spontan arrangiert – mit einzelnen wiesenhaften Blumen in hübschen Glasflaschen. Ist der Chef zum Abendessen eingeladen, sollte es zurückhaltend sein: lieber 20 schlichte Tulpen als irgendwas Verkrampftes. Und bloss kein angefertigtes Gesteck, das wirkt unnatürlich und abgestellt.
Sollte man Klischees vermeiden?
Grundsätzlich ja, ausser bei traditionellen Anlässen, denn die sollen ja ein Gefühl von Heimat vermitteln. Beim Osterbrunch wirkt Kresse toll, die man in seine Lieblingsgefässe sät, kombiniert mit durch Zwiebelschalen gefärbten Eiern. Wer es edler mag, kann den Raum ganz pur in Weiss gestalten. Weisse Amaryllis und Christrosen oder ein Strauss Eukalyptuszweige sind an Weihnachten eine dezentere Alternative zu klassischem Rot. Aber auch Kitsch ist erlaubt, wenn es gelingt, Brüche zu schaffen, wie bei einer alten Christbaumkugel, die Geschichten erzählen kann.
"Leider bekomme ich nie Blumen geschenkt, das traut sich irgendwie keiner."
Wie kombiniert man verschiedene Blumen?
Wichtig ist: Wenn sie zu ähnlich sind, verschwindet ihr Charakter. Zu einer Hortensie würde ich keine Rose stellen, weil beide voll und rund sind, spannender wäre etwas Dynamisches wie blühende Minze. Durch die verschiedenen Formen steigert sich ihre Wirkung.
Welche Sorten halten lang?
Exoten wie Nadelkissen oder Ingwerblüte. Und es bringt tatsächlich viel, Blumen neu anzuschneiden, selbst wenn man nur zehn Minuten nach Hause braucht.
Und welche duften besonders verführerisch?
Heute ist vielen leider gar nicht mehr bewusst, dass Blumen ein Naturmaterial sind, das duften darf und auch soll. Ich liebe die sinnliche Note von Maiglöckchen, die Tuberose erinnert mich an warme Sommerluft. Angenehm sanft ist der Duft von Jasmin, berauschend wirken Orangenblüte oder das Aroma des Zitronenbaums.
Über welche Blumen freuen Sie sich selbst am meisten?
Leider bekomme ich nie welche geschenkt, das traut sich irgendwie keiner.
Autorin: Lena Schindler
Fotos: © Trent Perrett